Middelhoff: Der ultimative Angriff

Im deutschen Blätterwald rauschte es gewaltig, nachdem der einstige Vorzeigemanager Thomas Middelhoff „wie eine Katze“ den Sprung vom Garagendach gewagt hatte. Selbst die eigentlich nicht unter Boulevard-Verdacht stehende Zeit nannte den Vorfall „eine spektakuläre Flucht“. Der Grund für das akrobatische Manöver? Middelhoff wollte einem Widersacher nach dem Offenbarungseid „nicht den Triumph eines Fotos“ (BILD) gönnen.

thomas-middelhoffOb das Bild bei dieser Art der Berichterstattung noch einen großen Unterschied ausgemacht hätte, darf bezweifelt werden. Immerhin ergab sich für Thomas Middelhoff einmal mehr die Chance, seine ganz spezifische Sicht der Dinge kund zu tun. „Fröhlich pfeifend“sei er entkommen. Wie so oft versuchte der Manager alles, um die Niederlage in einen Sieg umzudeuten.

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Dani Alves – alles Banane, oder was?

Wer kennt das nicht: Mangelhafte Kommunikation über echtes beziehungsweise vermeintliches Fehlverhalten, die eine Welle der Empörung im Netz auslöst. Klar, die Rede ist vom mittlerweile allgegenwärtigen Shitstorm, der sich kübelweise entlädt. Zalando und Burger King befinden sich nach RTL-Berichten gerade mittendrin. Dass sich aber genauso spontan eine Welle des Zuspruchs entfalten kann, belegt aktuell das Beispiel des Fußball-Profis Daniel Alves. Es zeigt, dass und wie kleine Gesten große Wirkung entfalten können.

Die Szene ist vielleicht gerade einmal zwei Sekunden lang: Dani Alves vom FC Barcelona tritt zum Eckstoß an, kurz zuvor hebt er ganz cool eine Banane vom Spielfeldrand auf und beißt kräftig hinein. Der rassistischen Beleidigung der gegnerischen Fans gab er damit eine vollkommen neue Wendung. Das Video vom herzhaften Bananenbiss verbreitete sich rasend schnell. Zahlreiche Unterstützer, darunter viele Promis und Profi-Fußballer, posten ihre Bananen-Selfies via Twitter und Facebook und zeigen, was von Rassismus zu halten ist: er ist schlicht dumm, lächerlich, überflüssig.

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Alice Schwarzer: Von Helden und Opfern

Die Steuersünder-CDs liefern uns in diesen Tagen mal wieder den Soundtrack für ein Medien-Drama. In der Hauptrolle: die Feminismus-Ikone Alice Schwarzer. Auch wenn die Tonlage etwas schriller ausfällt als sonst, kommt einem die Melodie doch sehr bekannt vor: Ein bis dahin als moralische Instanz geschätzter Promi stolpert über ein Vergehen, geriert sich nach einigen Windungen und Wendungen schnell als Opfer. Von Reue keine oder kaum eine Spur. Schuld haben wie immer die anderen. Wahlweise die Umstände oder am liebsten die Medien.

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Legende zum Fremdschämen

Früher beherrschte er die Tennisplätze dieser Welt. Ein Held, ein Sport-Ass, ja ein Vorbild. Heute irrlichtert die einstige Legende nur noch durch die Medien, vorzugsweise im Boulevard – und hat wohl den richtigen Zeitpunkt für den Absprung verpasst.

Screenshot SPIEGEL.de

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Die Rede ist von „Bumm-Bumm-Boris“, „Bobbele“ oder „#TheBorisBecker“, wie er sich bei Twitter nennt. Dort hat die Tennislegende rund 300.000 Follower – und die schauen fasziniert zu, wie er sich tagtäglich selbst demontiert (z.B. SPIEGEL,  MOPO). Man ist erstaunt und möchte sich fast zwicken, ob das alles gerade wirklich passiert. Denn Selbstachtung und Stil sind offenbar Kategorien, die eine untergeordnete Bedeutung haben – in der Tragödie, die hier gerade gegeben wird.

Becker postet Bilder vom Wohlstandsbauch, posiert vor teuren Sportwagen, lobt freizügige Modelfotos oder giftet gegen andere Prominente wie Raab und Pocher. Auf Twitter preist er auch seine Biografie an, die der STERN mit den Worten „vom strahlenden Tennishelden zum Jammerlappen“ beschreibt. Der TAGESSPIEGEL ätzt „Boris Becker – ein Leben als Seifenoper“.

Screenshot Spiegel.de

Screenshot Spiegel.de

Den traurigen Höhepunkt der eigenen Demontage bildet zweifelsfrei der Auftritt in der Oliver Pocher Show. Die stets um Balance bemühte dpa beschreibt die Situation so: „Becker wirkt wie ein alter Gladiator, der gezwungen ist, noch einmal im Zirkus einzuziehen. Aber man stellt ihm keinen Kämpfer gegenüber, sondern nur einen Clown.“

Trotzdem sind sich die medialen Kommentatoren am Spielfeldrand uneinig. Ist Becker nun endgültig durchgeknallt, total verarmt oder einfach nur verzweifelt? Ist das Demontage oder Wandel? Vernichtet sich da ein Idol oder erfindet es sich etwa neu – so wie es andere Stars auch ständig tun? Auch wenn die negative Berichterstattung einem medialen Tsunami gleichkam, schwingt in so manchem Kommentar Bewunderung mit: „Eins ist unstrittig: Boris Becker schafft es auch 14 Jahre nach seinem Karriereende immer noch in die Schlagzeilen“ findet FOCUS.de nach der Buchpremiere. „Als Entertainer ist er eine Wucht“ kommentiert WELT.de den Auftritt in der Pocher-Show und defniert damit gleichfalls die neue mögliche Rolle von Boris Becker. Jetzt also „Entertainer“, nachdem es für ihn als „Geschäftsmann“ nicht geklappt hat: „Verzockt! Die bittere Wahrheit über den Geschäftsmann Boris Becker“ titelte der FOCUS.

Vielleicht geht es so: Becker sollte sein eigenes Medium werden, quasi seine eigene „Yellow Press“, mit der Hauptabteilung Trash. Er besitzt mit Twitter, Facebook und Instagram einigermaßen reichweitenstarke Distributionskanäle. Er hat, nein besser, er ist der Content. Er liefert zuverlässig in Text- Bild- und Videoformaten. Er hat hunderttausende treue Leser. Vielleicht lassen sich diese auf sogar auf Online-Bezahlmodelle ein à la „schalte jetzt deinen Premium-Account frei und lies, wen Boris gerade auf der WM VIP Tribüne in Brasilien trifft“. Oder noch besser: „Jetzt ist die Chance, dort (günstig) Werbung zu schalten“. Vielleicht heißt es also bald wieder: „Vorteil Becker“. Hört sich irgendwie gut an, klingt ironisch und auch falsch. So gesehen geht es mir wie so vielen, die teils belustigt, teils fremdschämend, darauf hoffen, dass das einstige Tennisidol doch noch in Würde abtritt. Aber dem steht wohl vor allem einer im Weg: Becker selbst.

Planetopia: Der Kampf um Glaubwürdigkeit

In der letzten Woche waren die Redakteure von SAT1 Planetopia bei mir in Düsseldorf. Sie gingen der Frage nach, wie in Krisenfällen der Kampf um die Glaubwürdigkeit ausgefochten werden kann und was letztlich eine gute und schlechte Kommunikation ausmacht. Für mich war interessant, dass sich ein auf den Endverbraucher ausgerichtetes Magazin diesem Thema widmet. Und so ging es in der Aufzeichnung natürlich um die in der Allgemeinheit bekannten Aufreger. Aktuell liegt da der Berliner Flughafen ganz vorn, der wohl damit auch Aufmacher der Sendung sein wird. Nach eigener Veröffentlichung von SAT1 wird sich der Beitrag mit folgenden Inhalten beschäftigen (Quelle: Planetopia online):

„Seit 16 Jahren wird am neuen Berliner „Willy-Brand-Airport“ geplant, gebaut und die Neueröffnung immer wieder verschoben. Bereits im Oktober 2011 gab es für das rund drei Milliarden Euro teure Prestigeprojekt der Hauptstadt angeblich nicht genug Platz für Sicherheitsschleusen. Am Dienstag schließlich wurde auch der aktuelle Umzugstermin von den alten Flughäfen Schönefeld und Tegel raus aufs Land abgesagt. Diesmal funktionierten nach Angaben der Geschäftsführung des Flughafens die Rauchentlüftungen noch nicht.Ob es sich diesmal um die ganze Wahrheit handelt ist genau so ungewiss, wie ein neuer Eröffnungstermin. Klar scheint nur: Das Krisenmanagement der Luftfahrtbosse ist alles andere als professionell.

Planetopia blickt deshalb gemeinsam mit Dirk Popp, Chef einer der großen Agenturen für Krisenkommunikation weltweit, auf ähnliche Beispiele, in der die mangelnde Transparenz die Unternehmen später teuer zu stehen kam. Wir zeigen, was die Kölner Verkehrsbetriebe und Shell gemeinsam haben und was die Universitätsklinik Mainz von ihnen unterscheidet.“

Programmhinweis:

PLANETOPIA – Das Wissensmagazin
Montags um 22:15 Uhr in SAT.1

http://www.planetopia.de/die-sendung.html

 

„Die Zitrone wurde nicht nur ausgequetscht, sie hat sogar schon gequietscht.“

Das sind Orte, von denen man glaubt, dass es sie so gar nicht mehr gibt: Das alt-ehrwürdige RIAS-Gebäude am Innsbrucker Platz in Berlin. Eine Pförtnerloge mit scheinbar zur Einrichtung gehörendem Personal, die marmorne Freitreppe aus den späten Fünfzigern, lange Gänge mit eichefarbenen (?) Türrahmen, an den Wänden eine Fotogalerie von Grass bis Kohl und dann das Studio 5, in dem auch schon Ludwig Ehrhardt hätte sitzen können. Ein Haus, in dem der Glanz des deutschen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit optisch und architektonisch konserviert ist. Alles ein wenig ausgestorben – am vergangenen Freitagabend.

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„Auch wer schweigt, kommuniziert: Öffentlichkeitsarbeit in Krisenzeiten“

Vorankündigung:
SR 2, Kulturgespräch,
Freitag, 30.03.2012,
19:15 bis 20:00 Uhr

Der Hauskredit von Christian Wulff, das Feuer auf der Ölplattform im Golf von Mexiko, Datendiebstahl bei Sony, das Victory-Zeichen von Josef Ackermann – Beispiele für falsche Kommunikation in Krisenzeiten gibt es unzählige. Die Folge: Rücktritte, Imageverlust, Umsatzeinbußen. Wenn es brennt, hilft es selten, das Feuer zu verschweigen. Vor allem dann nicht, wenn schon Dutzende vor dem brennenden Haus stehen.

Über die Öffentlichkeitsarbeit in Krisenzeiten diskutieren im Medienquartett:

  • Hans Janke, ehem. stellv. Programmdirektor ZDF
  • Klaus-Peter Johanssen, Kommunikationsberater, ehem. Direktor Unternehmenskommunikation Deutsche Shell AG  
  • Dirk Popp, Agenturchef Ketchum Pleon
  • Dr. Hajo Schumacher, Journalist, Moderator

Hier die vollständige Vorankündigung auf der Homepage des Deutschlandfunkes.

Irgendetwas läuft immer schief

Nachdem ich mich im vergangenen Jahr nicht um crisiseverywhere.com kümmern konnte und bei praktisch jeder größeren und kleineren Krise dachte „hier müsste man eigentlich etwas posten“, startet der Blog jetzt wieder. Ganz platt lässt sich konstatieren: Selbst wenn alles rund läuft, läuft immer etwas schief.

Immer noch allgegenwärtig: Die bisher größte Krise um einen deutschen Präsidenten, jetzt Ex-Bundespräsident. Christian Wulffs Umgang mit seinem privaten Hauskauf und sein merkwürdiges Verhältnis zur, sagen wir mal, Transparenz, löste nicht nur eine mediale Welle aus: Zunächst gab es die übliche massive kritische Berichterstattung. Später sprachen nicht wenige sogar von einer gezielten Kampagne. Es folgte „lehrbuchartig“ die Kritik über die Kritik der Medien. Darf man dieses oder jenes gegenüber dem Amt, dem Präsidenten? Ja. Man darf. Dann waren da auch noch die medialen Heckenschützen zu besichtigen, welche im Zeitverlauf immer wildere Spekulation zum Besten gaben. Im Gegensatz dazu die Minderheit der Kämpfer für Wulff und eine von Anfang an eher distanzierte Kanzlerin. Wesentlich natürlich die treibende und manchmal undurchsichtige Rolle von BILD. Wie Spinger-Chef Chef Mathias Döpfner schon vor fünf Jahren so schön sagte: Wer mit BILD „im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“. Schließlich die oft emotionalen Diskussionen in den deutschen Wohnzimmern: Kaum eine Familie oder Stammtisch, die nicht eine Meinung zur Causa Wulff hatten.

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