Dafür stehe ich nicht mehr mit meinem Namen

Da knallten bei Foodwatch in Berlin sicher die Korken –  schon kurz nachdem die NGO ihre Kampagne gegen Hipp Kinder-Instant-Tees gestartet hatte, verkündete der Hersteller, die umstrittenen Produkte bis Jahresende vom Markt zu nehmen. Ersetzt werden sollen die Früchtetees, die laut Focus.de zu mehr als 90 Prozent aus verschiedenen Zuckerarten bestehen, durch einen Alternative ohne zusätzliche süße Dickmacher. Der scheinbar  entscheidende Punkt war die Nominierung für den „Goldenen Windbeutel“ –  die dreisteste Werbelüge des Jahres. Einen Preis, den wirklich keiner will.

Wie immer, wenn Foodwatch ruft – und die selbsternannten Essensretter melden sich in schöner Regelmäßigkeit – ist das Medienecho gewaltig. Der Focus fragt süffisant: „Steht Claus Hipp auch dafür mit seinem Namen?“, n-tv spricht von „Irreführung der Verbraucher“ und der Kölner Stadtanzeiger titelt „Kindertees: Vertrauen missbraucht“. In BILD erklärt das Unternehmen, dass die „Entscheidung für das Ende der Zuckergranulat-Tees nichts mit der Aktion von Foodwatch zu tun habe“. Wenig glaubhaft? Oder nur schlechtes Timing? Interessanterweise ist auf der Website des Unternehmens nur relativ versteckt etwas über das Thema zu finden. Allerdings ist die Argumentation dort dann schlüssig und selbstbewusst: „Die kritisierten Tees liegen mit einem Zuckergehalt von 3,8% im trinkfertigen Produkt auf dem Niveau einer Apfelsaft-Schorle (…)“. Ausserdem habe man in seinem Sortiment zuckerfreie Alternativen.

Insgesamt lässt sich natürlich die Frage stellen, warum immer mehr Unternehmen schon bei den leichtesten Anzeichen einer Krise einknicken. Sicher, ein hoher Zuckergehalt in Kindernahrungsmittel ist ein großes Thema. Und das Zeug gehört in hohen Konzentrationen dort auch nicht hin. Allerdings blendet die einseitige Betrachtungsweise und die mediale Empörung auch immer den mündigen Verbraucher aus, dem man abspricht, Verpackungen richtig lesen zu können.

Planetopia: Der Kampf um Glaubwürdigkeit

In der letzten Woche waren die Redakteure von SAT1 Planetopia bei mir in Düsseldorf. Sie gingen der Frage nach, wie in Krisenfällen der Kampf um die Glaubwürdigkeit ausgefochten werden kann und was letztlich eine gute und schlechte Kommunikation ausmacht. Für mich war interessant, dass sich ein auf den Endverbraucher ausgerichtetes Magazin diesem Thema widmet. Und so ging es in der Aufzeichnung natürlich um die in der Allgemeinheit bekannten Aufreger. Aktuell liegt da der Berliner Flughafen ganz vorn, der wohl damit auch Aufmacher der Sendung sein wird. Nach eigener Veröffentlichung von SAT1 wird sich der Beitrag mit folgenden Inhalten beschäftigen (Quelle: Planetopia online):

„Seit 16 Jahren wird am neuen Berliner „Willy-Brand-Airport“ geplant, gebaut und die Neueröffnung immer wieder verschoben. Bereits im Oktober 2011 gab es für das rund drei Milliarden Euro teure Prestigeprojekt der Hauptstadt angeblich nicht genug Platz für Sicherheitsschleusen. Am Dienstag schließlich wurde auch der aktuelle Umzugstermin von den alten Flughäfen Schönefeld und Tegel raus aufs Land abgesagt. Diesmal funktionierten nach Angaben der Geschäftsführung des Flughafens die Rauchentlüftungen noch nicht.Ob es sich diesmal um die ganze Wahrheit handelt ist genau so ungewiss, wie ein neuer Eröffnungstermin. Klar scheint nur: Das Krisenmanagement der Luftfahrtbosse ist alles andere als professionell.

Planetopia blickt deshalb gemeinsam mit Dirk Popp, Chef einer der großen Agenturen für Krisenkommunikation weltweit, auf ähnliche Beispiele, in der die mangelnde Transparenz die Unternehmen später teuer zu stehen kam. Wir zeigen, was die Kölner Verkehrsbetriebe und Shell gemeinsam haben und was die Universitätsklinik Mainz von ihnen unterscheidet.“

Programmhinweis:

PLANETOPIA – Das Wissensmagazin
Montags um 22:15 Uhr in SAT.1

http://www.planetopia.de/die-sendung.html

 

„Auch wer schweigt, kommuniziert: Öffentlichkeitsarbeit in Krisenzeiten“

Vorankündigung:
SR 2, Kulturgespräch,
Freitag, 30.03.2012,
19:15 bis 20:00 Uhr

Der Hauskredit von Christian Wulff, das Feuer auf der Ölplattform im Golf von Mexiko, Datendiebstahl bei Sony, das Victory-Zeichen von Josef Ackermann – Beispiele für falsche Kommunikation in Krisenzeiten gibt es unzählige. Die Folge: Rücktritte, Imageverlust, Umsatzeinbußen. Wenn es brennt, hilft es selten, das Feuer zu verschweigen. Vor allem dann nicht, wenn schon Dutzende vor dem brennenden Haus stehen.

Über die Öffentlichkeitsarbeit in Krisenzeiten diskutieren im Medienquartett:

  • Hans Janke, ehem. stellv. Programmdirektor ZDF
  • Klaus-Peter Johanssen, Kommunikationsberater, ehem. Direktor Unternehmenskommunikation Deutsche Shell AG  
  • Dirk Popp, Agenturchef Ketchum Pleon
  • Dr. Hajo Schumacher, Journalist, Moderator

Hier die vollständige Vorankündigung auf der Homepage des Deutschlandfunkes.

Zensurversuch: Maredo geht juristisch vor

Quelle: queer.de; Dieses Motiv ist nicht stammt nicht von Scholz&Friends, sondern von queer Kreativ-Direktor Christian Scheuß

Nachdem die Steakhauskette Maredo durch die Agentur Scholz & Friends und deren nichtgenehmigte Kampagne „Brandzeichen“ in eine mediale Krise schlitterte (siehe seperaten Beitrag auf crisiseverywhere.com), machte der Restaurantbetreiber in der Kommunikation vieles richtig: Distanzierung von den Motiven und Inhalten, Nennung des Verursachers, Erläuterung der eigenen Position und die Kommunikation dazu. Selbst die unterschwellige Drohung, man fordere Printmedien, Websiteninhaber und Provider auf, das in Rede stehende Motiv nicht weiter zu verbreiten und weitere Downloads nicht zuzulassen – geschenkt. Insgesamt wurde die Position des Unternehmens deutlich transportiert, sowohl in klassischen Medien als auch im Social-Web. Und auch der Verursacher, nämlich Scholz & Friends, war klar benannt. Das es weiterhin Kritiker, Trittbrettfahrer und Krawallmacher geben würde, ist in einer solchen krisenhaften Situation für das betroffene Unternehmen nicht tröstlich, aber kommunikativ betrachtet eher normal. Gelassenheit und die Wiederholung der eigenen Position ist hier oft die richtige Haltung. Weiterlesen

E wie extrem daneben?

Das haben sich die Marketingstrategen und die dazugehörigen Werber der Eon-Zweitmarke „E wie einfach“ sicher anders vorgestellt: Anstatt mit ihrem neuen TV-Spot „Einschlafen“ im Olymp der ironischen Werbung zu landen, mussten sie nach Protesten aus dem Netz und teils deftigen Medienberichten ihren neuen Spot jetzt zurückziehen. Der Grund: Viele Internetuser meinten in dem Werbefilm Sexismus und die Verherrlichung von Gewalt auszumachen.

Die Geschichte des kritisierten Films ist schnell erzählt: Frau und Mann räkeln sich im Bett. Sie zu ihm „Hase, ich kann nicht schlafen.“ Er verpasst ihr darauf einen Kopfstoß a la Zidane. Abspann: Ist doch ganz einfach. Abbinder Webadresse.

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Irgendetwas läuft immer schief

Nachdem ich mich im vergangenen Jahr nicht um crisiseverywhere.com kümmern konnte und bei praktisch jeder größeren und kleineren Krise dachte „hier müsste man eigentlich etwas posten“, startet der Blog jetzt wieder. Ganz platt lässt sich konstatieren: Selbst wenn alles rund läuft, läuft immer etwas schief.

Immer noch allgegenwärtig: Die bisher größte Krise um einen deutschen Präsidenten, jetzt Ex-Bundespräsident. Christian Wulffs Umgang mit seinem privaten Hauskauf und sein merkwürdiges Verhältnis zur, sagen wir mal, Transparenz, löste nicht nur eine mediale Welle aus: Zunächst gab es die übliche massive kritische Berichterstattung. Später sprachen nicht wenige sogar von einer gezielten Kampagne. Es folgte „lehrbuchartig“ die Kritik über die Kritik der Medien. Darf man dieses oder jenes gegenüber dem Amt, dem Präsidenten? Ja. Man darf. Dann waren da auch noch die medialen Heckenschützen zu besichtigen, welche im Zeitverlauf immer wildere Spekulation zum Besten gaben. Im Gegensatz dazu die Minderheit der Kämpfer für Wulff und eine von Anfang an eher distanzierte Kanzlerin. Wesentlich natürlich die treibende und manchmal undurchsichtige Rolle von BILD. Wie Spinger-Chef Chef Mathias Döpfner schon vor fünf Jahren so schön sagte: Wer mit BILD „im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“. Schließlich die oft emotionalen Diskussionen in den deutschen Wohnzimmern: Kaum eine Familie oder Stammtisch, die nicht eine Meinung zur Causa Wulff hatten.

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