Middelhoff: Der ultimative Angriff

Im deutschen Blätterwald rauschte es gewaltig, nachdem der einstige Vorzeigemanager Thomas Middelhoff „wie eine Katze“ den Sprung vom Garagendach gewagt hatte. Selbst die eigentlich nicht unter Boulevard-Verdacht stehende Zeit nannte den Vorfall „eine spektakuläre Flucht“. Der Grund für das akrobatische Manöver? Middelhoff wollte einem Widersacher nach dem Offenbarungseid „nicht den Triumph eines Fotos“ (BILD) gönnen.

thomas-middelhoffOb das Bild bei dieser Art der Berichterstattung noch einen großen Unterschied ausgemacht hätte, darf bezweifelt werden. Immerhin ergab sich für Thomas Middelhoff einmal mehr die Chance, seine ganz spezifische Sicht der Dinge kund zu tun. „Fröhlich pfeifend“sei er entkommen. Wie so oft versuchte der Manager alles, um die Niederlage in einen Sieg umzudeuten.

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Alice Schwarzer: Von Helden und Opfern

Die Steuersünder-CDs liefern uns in diesen Tagen mal wieder den Soundtrack für ein Medien-Drama. In der Hauptrolle: die Feminismus-Ikone Alice Schwarzer. Auch wenn die Tonlage etwas schriller ausfällt als sonst, kommt einem die Melodie doch sehr bekannt vor: Ein bis dahin als moralische Instanz geschätzter Promi stolpert über ein Vergehen, geriert sich nach einigen Windungen und Wendungen schnell als Opfer. Von Reue keine oder kaum eine Spur. Schuld haben wie immer die anderen. Wahlweise die Umstände oder am liebsten die Medien.

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Der berühmteste Normalo der Welt

Er ist der Mann, der die Medien narrt. Greg Packer aus Huntington, New York. Obwohl er ihnen nur das gibt, was sie wollen. Aber die haben jetzt genug von ihm. Gerade deshalb widmete wohl Spiegel Online dem Mann aus Huntington eine größere (und schöne) Geschichte. Dabei macht der Packer eigentlich nichts anderes, als fröhlich und rechtzeitig als Statementgeber den „Mann von der Strasse“ zu mimen. Damit ist er wohl zum meistzitierten ganz normalen Bürger der Welt geworden. Wie geht das? In dem man versucht bei vermeintlich wichtigen Anlässen vor Ort zu sein. So hat es Packer beispielsweise geschafft, ganz vorn in der iphone-Warteschlange zu stehen. Oder er philosophierte über Lady Dianas bzw. Whitney Houstons Ableben. Auch schön: Packer zeigte sich mit einem Pro-Bush-Schild unter Anti-Bush-Demonstranten. Die Presse stürtzte sich auf ihn. Wie so oft. Hunderte Male ist er in Berichten aufgetaucht, vornehmlich in seriösen Medien, selbst oft bei Nachrichtenagenturen. Mit anderen Worten: Wirklich viele Journalisten fielen auf die Aktionen des ja mittlerweile sehr bekannten Mannes aus Huntington rein. Stellt sich die Frage: Warum macht er das? Und: Wer ist eigentlich der deutsche Greg Packer? [mehr unter Fundstücke]

„Tofu ist schwules Fleisch“

Oder: Warum eine Kampagne,
die nie verwendet worden ist,
jetzt für mächtig Zoff sorgt.

Eigentlich lief vor drei Jahren alles perfekt für Scholz&Friends: Man hatte eine sogenannte „Goldidee“, reichte diese beim renommierten Art Directors Club (ADC) ein und konnte mit einem silbernen Nagel letztlich auch punkten. Die begehrte Trophäe gab es für die Kampagne „Brandzeichen“ des Kunden „Maredo“. Soweit so gut. Nur hatte die Geschichte schon damals einen klitzekleinen Makel. Denn angeblich fand das Ganze zwar mit Billigung aber ohne Auftrag von Maredo statt. Und die beim ADC eingereichten Motive habe die Steakhauskette auch nie gesehen. „Kein Agenturkunde und keine Freigabe. Und wahrscheinlich noch nicht mal eine Schaltung. Das ist traurig“, meinte dazu Alexander Schill, Kreativchef des Wettberbers Serviceplan, kürzlich dazu in der WUV.

Allerdings interessieren solche Nicklichkeiten normalerweise niemanden außerhalb der Szene. Schon gar nicht nach so langer Zeit. Doch vor ein paar Tagen kochte die Sache auf einmal hoch. Plötzlich und unerklärlich kursierten die Motive „Tofu ist schwules Fleisch“ und „Wenn man Tiere nicht essen soll, warum sind sie dann aus Fleisch?“ im Netz und waren so schnell in aller Munde. Und die Krise für Scholz&Friends und Maredo da. Übrigens: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass das zeitliche Zusammentreffen mit dem Oberbürgermeister-Wahlkampf von Stuttgart zu tun hat. In diesem kandidiert Sebastian Turner, ehemals CEO von Scholz&Friends, für die CDU.

Wenn man sich die Mechanik der Krise anschaut, entwickelte sich der Ärger um die Kampagne nach klassischem Skandalisierungs-Muster: Zunächst entfachte sich die Empörung in der Web-Gemeinde selbst. Hier schlugen die meist humorlosen Wellen hoch (Twitter Hashtag #maredo). Parallel sprangen die üblichen Verdächtigen, also Verbände und Politiker, den Diskriminierten bei und forderten Abbitte und Wiedergutmachung. Maredo distanzierte sich vehement. Die Agentur Scholz&Friends wiederum entschuldigte sich flugs unter anderem im Horizont, weil das Motiv „in keinster Form die Haltung und Unternehmenskultur von Scholz&Friends widerspiegele“. Spätestens jetzt war die die ganze Geschichte in den klassischen Medien angekommen. Dort ging es dann auch fröhlich zur Sache. Mit der nicht gerade schmeichelhaften Headline „Tofu ist schwules Fleisch: Riesen-Zoff um diese Werbung“ machte beispielsweise die Hamburger Morgenpost auf. Der Spiegel schlug eine ähnliche Gangart an und meinte „Vielleicht sollte es lustig sein, vielleicht provokant. Am Ende war es aber nur peinlich“. Die Neue Presse titelte „Kreatives Desaster um schwules Tofu“.

Dass das Netz nicht nur Segen, sondern eben auch Fluch sein kann, haben wir ja bei crisiseverwhere.com schon öfter diskutiert. Was in letzter Zeit auffällt ist, dass relativ kleine Gruppen von Kritikern gewaltige mediale Wellen lostreten und Unternehmen ernsthaft in Bedrängnis bringen (siehe auch E wie einfach). In einem meiner Beiträge habe ich das Phänomen als „Aufregung erzeugt Aufregung“ beschrieben. Denn auch wenn die Plakatidee „Tofu ist schwules Fleisch“ politisch nicht korrekt sein mag, man über die Flughöhe von Kreativität und Humor kräftig streiten kann: Ob die Kritiker in der Überzahl sind, ist noch längst nicht ausgemacht. Oft sind sie einfach schneller, lauter und besser vernetzt – wissen also die Hebel des Social-Webs cleverer zu nutzen als die betroffenen Unternehmen. Unter kommunikativen Gesichtspunkten stellt sich in solchen Situationen die Frage: Gibt es vielleicht auch hier eine Mehrheit an Befürwortern, die sich eben nicht in die oft polemisch und einiger Heftigkeit geführten Diskussionen einmischen will? Wenn man sich die Kommentare unter dem Bericht der Hamburger Morgenpost oder dem Berliner Kurier anschaut, kann man das zumindest erahnen. Ein Ernie meint dort: „…Wie eine Minderheit so über die schweigende Mehrheit bestimmt, ist einfach nur erschütternd.“

Für Unternehmen bedeutet das: Wie kann ich im Zeitalter von Twitter, Facebook & Co meine Freunde, Fans und Supporter aktivieren? Die dann ohne die üblichen Schwere der offiziellen Verlautbarungen offen und direkt für eine Marke, ein Unternehmen oder ein Thema eintreten. Das ist und bleibt die große Herausforderung. Und diese sollte man definitiv nicht erst in der Krise angehen.